Bericht von Frauchen über ihren Schulhund Frida im Vereinsheft des DCK im September 2010               


Mehr lernen als lesen, schreiben und rechnen...

Dienstag, Förderschule „Pestalozzi“ in Lutherstadt Wittenberg, dritte Stunde:
Die erste große Pause ist vorbei. Auf dem Schulhof gab es Ärger. Die Stimmung in der 7a ist geladen. Marvin rutscht auf seinem Stuhl hin und her, Virginia beschwert sich lautstark über ihn. Ali ist angespannt, er wurde von einem Neuntklässler angerempelt und ist sicher, dass der ihn mit Absicht provozieren wollte. Eva ist heute total still, sie sorgt sich, ob Mutti wohl bald wieder gesund und zu Hause ist...

 

Die Tür öffnet sich und Frida kommt in die Klasse. Sofort hat sie die Aufmerksamkeit aller, und über elf Gesichter huscht ein Lächeln. Frida läuft fröhlich quer durch den Raum zu Marvin, der auf einmal ganz still sitzt und ihr über den Kopf streichelt. Danach schlendert sie zu Eva und setzt sich auf ein Handzeichen neben sie, dafür bekommt sie eine Kleinigkeit zu naschen. Nach und nach werden alle Schüler begrüßt und als Frida sich gemütlich auf einer Decke niederlässt, ist die Atmosphäre im Raum entspannt. Frida ist eine einjährige Kooikerhündin, die „ihre“ Kinder recht gut kennt.

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Berichte über Hunde, die in der Arbeit mit Kindern eingesetzt werden, faszinieren mich bereits seit einigen Jahren. Es ist jedoch eine Sache, über Schulhunde zu lesen und eine ganz andere, selbst zu erfahren, welche Wirkung so ein Tier auf einzelne Kinder bzw. eine ganze Schulklasse haben kann.

Als Frida vor etwa einem Jahr bei uns einzog, hatte ich die Idee, sie eines Tages mit in die Schule zu nehmen bereits im Hinterkopf. Welche Voraussetzungen und Verpflichtungen einerseits und wie viel Freude andererseits auf mich zukommen würden habe ich nicht geahnt.

Zunächst einmal war es wichtig, einen Hund zu bekommen, der als Schulhund geeignet ist und von Beginn an hervorragend geprägt war.
Obwohl Kooikerhondje als reserviert gegenüber Fremden und sehr sensibel beschrieben werden, erweist sich die Wahl für mich als richtig. Gerade ihre Sensibilität sorgt dafür, dass Frida den siebten Sinn zu haben scheint, wenn sie in die Klasse kommt. Mit erstaunlicher Sicherheit sucht sie zu den Kindern die Nähe, die an diesem Tag einen Tröster oder Ermunterer benötigen. Darüber hinaus lösen ihr niedliches Aussehen, ihre geringe Körpergröße und das weiche, helle Fell bei den Schülern Beschützerinstinkte aus.
 
Mit Cornelia Krahm fand ich eine Züchterin, die nicht nur in den ersten neun Wochen optimale Bedingungen für ihre Welpen schafft, sondern auch nach dem Umzug ihres Nachwuchses immer ein offenes Ohr hat und uns Hundeleuten mit Rat und Tat zur Seite steht, wenn wir das wünschen.

Große Unterstützung bekam ich von meiner Schulleiterin Gabriele Saage, die selbst seit 1999 Hunde in der Schule einsetzt und von deren umfangreichem Wissen ich profitieren kann. Sie leitet den Arbeitskreis „Schulhunde Sachsen-Anhalt“, der sich im Mai 2010 gegründet hat.

Seit November 2009 begleitet Frida mich einmal wöchentlich in die Schule. An manchen Tagen ist sie der Mittelpunkt, sehr oft ist sie allein durch ihre Anwesenheit der Katalysator für Ruhe, Freundlichkeit und Ausgeglichenheit in der Klasse.

Meine Bedenken, dass ein Hund die Schüler im Unterricht zu sehr ablenkt, haben sich sehr schnell zerstreut. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Wenn Frida in der Klasse ist, wirken die Schüler konzentrierter und scheinen mit wesentlich mehr Begeisterung zu lernen. Natürlich wird der Hund zwischendurch mal gelockt und gestreichelt, aber diese Denkpausen wirken offensichtlich eher motivierend.

Interessant ist für mich auch die Beobachtung, dass Frida ausgleichend auf die Schüler wirkt. Zum Beispiel zeigt ein Junge mit Tourette-Syndrom kaum Symptome, wenn sie in der Nähe ist, während eine Schülerin, die sich bis dahin extrem introvertiert zeigte und kaum Kontakt zu ihren Mitschülern aufnehmen konnte, deutlich aufgeschlossener wirkt. Über den Hund finden sie und die anderen eine gute Möglichkeit, zu kommunizieren.

Interessanter Weise gehen die Schüler nicht nur mit Frida, sondern auch untereinander viel freundlicher miteinander um. Anstatt sich anzurempeln, können sie sich einfach einmal aneinander lehnen oder auf der Hundedecke dicht nebeneinander sitzen.
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Natürlich stand in einigen Stunden das Thema Hund im Mittelpunkt der Wissensvermittlung. Abstammung, Biologie und Ernährung des Hundes waren genauso Thema, wie artgerechte Haltung und sinnvolle Beschäftigung. Für mich ist es unglaublich spannend zu beobachten, wie sich Ansichten und Meinungen der Kinder ändern. Besonders beliebt bei den Schülern sind unsere Projektwochen, in denen sie viel Zeit und Raum haben, sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen. 7
9 Das Schuljahr endete mit einem ganz besonderen Projekt: Nach intensiver Vorbereitung durften die Schüler in einer kleinen Prüfung beweisen, dass sie „Hundeprofis“ sind. Auf ihren „Hundeführerschein“ dürfen sie zu Recht stolz sein, denn der ist Ausdruck ihrer Anstrengungsbereitschaft und ihres Fleißes.
Sicher werden meine Schüler durch Frida keine anderen Menschen, aber sie haben die Chance, Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein oder Teamgeist zu entwickeln, die sonst in der Schule oft zu kurz kommen. 8

Frida selbst stürmt immer freudig in die Klasse. Sie wirkt sehr zufrieden über ihren wichtigen „Beruf“ als Schulhund, darüber tauscht sie sich wohl auch mit ihrem „Kollegen“ aus.

Dass es dem Hund gut geht, ist eine der wichtigen Voraussetzungen, um als Schulhund eingesetzt werden zu können.
 
Dienstag, Förderschule Pestalozzi Wittenberg, es klingelt zum Schulschluss. Die Schüler haben es nicht besonders eilig, aus dem Raum zu kommen. Bevor sie gehen, wird Frida noch einmal gestreichelt. Manchmal bleibt jemand neben Frida sitzen und erzählt, was zu Hause los ist. Die Freude auf den nächsten Dienstag steht allen ins Gesicht geschrieben.
 



 
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